7.1. Energiezukunft und Rohstoffwirtschaft

Klimaschutz und Energiewende sind kein Selbstzweck. Die immer sichtbarer werdende Ressourcenknappheit erfordert ein Umdenken und mittelfristiges Finden von tragfähigen Strukturen und Strategien zum Umgang mit Rohstoffen und Energie, die bereits kurzfristig praktische Folgen nach sich ziehen müssen.

7.1.1. Hindernisse und Strukturen für eine echte Energiewende beseitigen - positive Effekte für das Gemeinwesen erreichen

Hindernis für eine echte Energiewende sind derzeit unter anderem die Strukturen und Machtverhältnisse in der Energiewirtschaft. Konzernstrukturen, die durch mindestens bundesweit und/oder darüber hinaus operierende Unternehmen gelenkt werden, bestimmen die Richtung und sind überwiegend auf den Erhalt ihrer auf Öl und Kohle beruhenden Vormachtstellung bedacht. Es sind vier Unternehmen, die bundesweit den Strommarkt bestimmen und die politischen Entwicklungen zum eigenen Vorteil lenken, da sie eine überwältigende Macht angehäuft haben. Im Wesentlichen sind zwei davon – RWE und Vattenfall – in Sachsen tätig.

„Weiter so“ ist in der Energie- und Ressourcenfrage keine Option. Klar ist, dass ein Ausstieg aus den fossilen Energiequellen Kohle und Öl und ein Umstieg in die erneuerbaren Energien nicht über Nacht geschehen können. Hierzu braucht es eine klare Richtung, ein belastbares Handlungskonzept, das die Potenziale vor Ort fundiert einschätzt, verlässliche energiepolitische Rahmenbedingungen, ein beherztes Zupacken mit der nötigen Finanzausstattung und dem nötigen Gestaltungswillen – all dies fehlt bislang.

Atomenergie kann – ohnehin nicht in Sachsen – u.a. wegen der ungelösten Endlagerfrage, kein Bestandteil einer konstruktiven Lösung sein. Die CCS-Technologie (die unterirdische Speicherung von CO2 aus Kohlekraftwerken) ist für uns in Sachsen ebenfalls keine Option. Zum einem ist diese Technologie sehr risikobehaftet und zum anderen zementiert sie die Nutzung von Kohlekraftwerken und damit die zentrale Energieerzeugung von Großbetrieben sowie letztlich den Abbau von Kohle in immer neuen Tagebauen. Die Ausbeutung von Bodenschätzen, die kaum dauerhafte Vorteile für das Gemeinwesen hervorzubringen in der Lage ist, kann langfristig strategisch nicht sinnvoll sein. Hinzu kommt, dass oftmals umweltschädliche Subventionen dazu beitragen, umweltfreundlicheren Konkurrenzentwicklungen den Weg zur Marktfähigkeit zu erschweren und langfristige Kosten absehbar auf die Allgemeinheit abgewälzt werden. Ein Beispiel dafür ist die Braunkohleverstromung, aber auch bei anderen Rohstoffen bestehen Ungerechtigkeiten in der Höhe der Förder-, Feldes- oder Wasserentnahmeabgaben. Gleichzeitig besteht die Notwendigkeit, das Schutzniveau des sorbischen Siedlungsgebietes vor bergbaubedingter Zerstörung nicht nur durch Braunkohleabbau, sondern auch beim Abbau von Kaolin, Kupfer und anderen Rohstoffen gesetzlich zu stärken.

7.1.2. Stromsparen und Strompreise – Ungerechtigkeiten beenden

Das Dilemma der widersprüchlichen Anreize und Interessen zwischen niedrigen Strompreisen und abzuwendender Energiearmut einerseits und dem Abbau umweltschädlicher Subventionen sowie wirksamer Anreize zum Stromsparen andererseits lässt sich nur schwer auflösen. Wichtig ist, dass bestehende Ungerechtigkeiten durch Ausnahmeregelungen für Großverbraucher beseitigt werden müssen und deutlich stärkere Anreize zum Stromsparen in Privathaushalten, Handwerk und Industrie gesetzt werden müssen. Einkommensbenachteiligten Haushalten müssen jedoch die erforderlichen Hilfen und Beratungen gegeben werden, insbesondere da gerade diese strukturell beispielsweise durch veraltete Geräte oder elektrische Warmwasseraufbereitung benachteiligt sind.

In den vergangenen Jahren ist in Sachsen insgesamt ein stagnierender oder leicht steigender Energieverbrauch zu verzeichnen. Offensichtlich gibt es noch keine hinreichenden Anreize, um die Energieeffizienz von Maschinen und Prozessen zu steigern oder anderweitig Energie einzusparen. Ein Anreiz könnte ein spezielles Programm der sächsischen Aufbaubank sein, welche Gelder für Investitionen in energieeffizientere Maschinen zinsgünstig vergibt.

Die LINKE. Sachsen setzt sich dafür ein, dass eine effektive Strompreiskontrolle erfolgt und Preisvorteile der Energieversorgungsunternehmen (z.B. durch Zufallsgewinne an der Strombörse) konsequent an die Verbraucherinnen und Verbrauchern weitergegeben werden. Dazu prüfen wir die Wiedereinführung der Preisgenehmigungspflicht durch die Landeskartellbehörde.

7.1.3. Energiewende mit Teilhabe - vor Ort akzeptabel und erlebbar gestalten

Zentrales Problem ist die im Osten generell dünne Eigenkapitaldecke der Bevölkerung, die eine allein bürgerInnenfinanzierte Energiewende in Sachsen als Illusion erscheinen lässt. Hier können kommunale Stadtwerke und Energiegenossenschaften - gegebenenfalls mit staatlicher Unterstützung - jedoch eine große Hilfe sein. Kommunale Strukturen, die die Verteilnetze in ihre Hand bringen und als kommunal bestimmte Unternehmen die gesamte Ver- und Entsorgungssparte bewirtschaften, scheinen derzeit die beste Ausgangslage für die zu lösenden Aufgaben zu bieten.

Eine mangelnde Akzeptanz von Anlagen zur Erzeugung von Energie aus Biomasse, Wind, Sonne und Wasser kann nicht durch Appelle behoben werden. Allein der unmittelbare Nutzen für die regionale Bevölkerung, flankiert durch sachlich gerechtfertigte Restriktionen und kontrollierte Auflagen, kann in der teilweise verfahrenen Lage weiterhelfen. Gute Beispiele dafür gibt es.

7.1.4. Öffentliche Stromlieferverträge: Stopp für Atomstrom, steigende Anteile an Erneuerbaren ermöglichen

Der Strommix zahlreicher Gemeinden und öffentlicher Einrichtungen in Sachsen enthält Kohle-, aber nach wie vor auch Atomstrom. Von daher setzen wir uns dafür ein, dass die Stromlieferverträge öffentlicher Einrichtungen und Staatsbetriebe zum nächstmöglichen Zeitpunkt auf eine atom- und kohleenergiefreie Elektrizitätsversorgung umgestellt werden.

Weiterhin wollen wir darauf hinwirken, dass in den Fällen, in denen staatliche oder kommunale Stellen Anteile an Energieversorgungsunternehmen halten, diese daraufhin wirken, dass kein Atomstrom mehr angekauft wird und steigende Mengen an erneuerbaren Energien vertrieben werden.

7.1.5. Energiewirtschaft neu denken: ökologisch vertretbar, zunehmend dezentral und mittelständisch geprägt

Langfristige erhebliche Schäden insbesondere an Trink-, Grund- und Oberflächenwässern scheinen infolge Braunkohletagebaubetriebs absehbar unvermeidbar zu sein. Derzeit nur unzureichend erhobene staatliche Einnahmen aus dem Kohlebergbau durch Wasserentnahmeentgelte sind zu erhöhen, aber auch die stärkeren Verpflichtungen des Bergbautreibenden aus der Genehmigungslage heraus und durch flankierende Vereinbarungen sind verstärkt mit dem Ziel einzusetzen, Schäden für kommende Generationen zu minimieren.

Aufschlüsse neuer Tagebaue und die Erweiterung bestehender zur energetischen Nutzung der Braunkohle – in Sachsen sind das die Gebiete Nochten II, Welzow-Süd und Vereinigtes Schleenhain – sind zu stoppen. Dazu werden durch DIE LINKE. Sachsen die konservativen energiepolitischen Vorstellungen, die als „Energieprogramm“ die Rechtfertigung für Neuaufschlüsse darstellen, umgehend überarbeitet. Je nach Genehmigungsstand werden die Planwerke dann entsprechend nicht mehr genehmigungsfähig sein oder müssen hinsichtlich ihrer Umweltauswirkungen deutlich stärker untersucht werden.

Gleichzeitig sind bei der Überarbeitung des Energieprogramms die Weichen für eine ökologisch vertretbare, von den Menschen akzeptierte, zunehmend dezentrale und mittelständisch geprägte Energiewirtschaft zu stellen. Dazu gehören ehrgeizige Ausbauziele für erneuerbare Energien, aber auch ein schrittweises Ausstiegsszenario aus der Braunkohleverstromung bis zum Jahr 2040 – dadurch nähern sich Stromerzeugung und –verbrauch in Sachsen perspektivisch einander an.

DIE LINKE. Sachsen will die Rahmenbedingungen für einen schrittweisen Umstieg auf erneuerbare Energien im Strom- und Wärmebereich bis spätestens 2050 aktiv gestalten. Bis 2020 ist dafür zunächst der Stromverbrauch zu mindestens 40 Prozent aus erneuerbaren Energien in Sachsen sicherzustellen – aktuell liegen wir bei etwa 20 Prozent. Bis spätestens 2040 werden wir den Ausstieg aus der Kohleverstromung in Sachsen abgeschlossen haben. Die Energieunternehmen sowie die Beschäftigten brauchen langfristig Klarheit über die politischen Rahmenbedingungen. Daher braucht es zugleich einen Sozialplan für den Ausstieg. Gleichzeitig darf die Energiewende nicht zu einer reinen „Stromwende“ verkürzt werden.

Die Gemeinden werden durch eine Regierungsbeteiligung der LINKEN Sachsen dazu ermuntert werden, die Klimaschutzelemente in der kommunalen Bauleitplanung konsequent anzuwenden, um die gestellten Ziele zu erreichen. Dazu werden wir unter anderem im Wärmesektor darauf hinwirken, dass die Energieeinsparverordnung des Bundes mit Blick auf langfristige Kosteneinsparungen tatkräftig umgesetzt werden kann. Das Land muss hierbei Vorbild sein.

Die Gesamtmenge der CO2-Emissionen soll bis 2020 um mindestens 65 Prozent gegenüber dem Basisjahr 1990 reduziert werden – dabei darf die Braunkohleverstromung nicht allein dem derzeit unwirksamen Emissionshandel überlassen bleiben, sondern muss in das Reduktionsprogramm einbezogen werden.

Gleichzeitig ist das hohe Potenzial Sachsens für eine Speicherung von Energie in ehemaligen Bergwerken zu prüfen und in zukünftige komplexe Überlegungen zur Energiewende mit einzubauen. Die nicht eingelösten Versprechungen von Schwarz-Gelb, Sachsen als „traditionsreiches Energie- und Technologieland“ insbesondere auch bei den Speichertechnologien weiterzuentwickeln, werden wir aufgreifen.

7.1.6. Tragfähige Perspektiven für die Braunkohlereviere für die Menschen entwickeln

Die Kohle ist endlich – unabhängig davon, ob der Ausstieg aus der Verstromung politisch motiviert früher oder später kommt. Gerade in der Lausitz fehlen tragfähige Lösungen für eine solide wirtschaftliche Entwicklung nach oder zunächst neben der Braunkohleverstromung. Unabhängig davon, wann das sein wird, wird DIE LINKE. Sachsen dafür Sorge tragen, dass für die Lausitz auf der Basis eines wissenschaftlich fundierten Landesforschungsprogramms Modelle entwickelt werden, die aufzeigen, welche Schritte kurzfristig eingeleitet werden müssen, um mittelfristig eine sanfte Landung nach dem Ausstieg aus dem Braunkohleabbau sowie dauerhaft tragfähige Entwicklung und Beschäftigung für die Region zu ermöglichen.