3.8. Hochschulpolitik
Für DIE LINKE. Sachsen genießen der Hochschulbereich wie der Bildungsbereich insgesamt höchste Priorität. Wir wollen Mittel in großem Umfang zugunsten von Hochschulen und Studentenwerken umverteilen – denn hier kann der Freistaat weitgehend frei gestalten. Stärker als in der Vergangenheit müssen Lehre und Forschung staatlich unterstützt werden. Für DIE LINKE. Sachsen bilden Lehre und Forschung eine Einheit; beide Bereiche können sich aber nur entfalten, wenn der Freistaat endlich für attraktive Arbeits- und Studienbedingungen sorgt. Sachsen muss seine Gesamtverantwortung für den Hochschulbereich wahrnehmen und sich auf Bundesebene mit eigenen Initiativen einbringen. Es gilt, Wissenschaftsinstitutionen von ökonomischen und staatlichen Zwängen zu befreien, die Mitbestimmung ihrer Mitglieder zu sichern und – nicht zuletzt – für eine auskömmliche Grundfinanzierung zu sorgen.
3.8.1. Für eine freie, vielfältige und demokratische Wissenschaftslandschaft
Hochschulen sollen nach dem Willen der LINKEN. Sachsen öffentliche Körperschaften und zu einem großen Anteil steuerfinanziert bleiben. Die Selbstverwaltung ihrer Mitglieder sowie der Studentenwerke wollen wir stärken. Der Freistaat soll lediglich einen groben Rahmen setzen und ansonsten vor allem koordinierend und vereinheitlichend wirken, etwa bei der Durchsetzung von Qualitätsstandards. In dem Maße, wie der Wissenschaftsbetrieb frei von staatlichen Eingriffen bleiben soll, muss er sich ökonomischer Zwänge entledigen: Dem neoliberalen Ideal einer effizienzgesteuerten, marktförmigen und auf die kommerzielle Verwertbarkeit von Forschungsergebnissen konzentrierten Bildungsfabrik mit autoritären Strukturen und allumfassendem Optimierungsdruck setzt DIE LINKE. Sachsen das Bild der partizipativen, allseits unabhängigen Hochschule entgegen, die als „Labor für ein besseres Leben“ einen kritischen Reflexions- und Resonanzraum der Gesellschaft bildet. Dort soll frei von Zwängen gearbeitet, geforscht und gelehrt werden können. Geistes- und Sozialwissenschaften haben ebenso wie die Künste mehr als nur eine Daseinsberechtigung. Sie befördern Kompetenzen des kritischen Hinterfragens und der kritischen Analyse, um sich mit dem Bestehenden, aktuellen Entwicklungen und Missständen einer Gesellschaft tiefer gehend auseinanderzusetzen. Deshalb müssen Geistes- und Sozialwissenschaften ebenso wie die Künste bestmöglich unterstützt und vor allem auch in Forschung und Lehre erhalten bleiben, auch wenn sie nicht in gleichem Maße externe Forschungsmittel akquirieren können, wie etwa die Ingenieur- und Naturwissenschaften.
Eine Profilbildung von Hochschulen darf nicht dazu führen, dass einzelne Standorte benachteiligt werden. Kompetenzschwerpunkte müssen gleichermaßen staatlich unterstützt werden, Volluniversitäten als solche erhalten bleiben. Die sächsischen Hochschulen hatten zu keiner Zeit einen ausreichenden Personalbestand, im Gegensatz zu denen in Westdeutschland. Stattdessen arbeiten sie seit mehr als 20 Jahren an der Grenze des Möglichen. Für DIE LINKE. Sachsen sind Mittelkürzungen und Stellenabbau der schlechteste aller möglichen Wege, um zu Profilbildung und Schwerpunktsetzungen zu gelangen, da er in der Regel zum Verlust von Studienangeboten führt. Stattdessen wollen wir durch mehrjährige Hochschulrahmenverträge langfristige Planungssicherheit schaffen.
Das Sächsische Hochschulfreiheitsgesetz wollen wir novellieren und dabei insbesondere die Austrittsmöglichkeit aus der Verfassten Studierendenschaft wieder abschaffen, um die studentische Interessenvertretung zu stärken und letztlich auch den Bestand der Semestertickets zu gewährleisten, deren Geltungsbereiche wir ausweiten möchten. Die Verfasste Studierendenschaft mit Finanz- und Satzungsautonomie und dem uneingeschränkten Recht auf freie politische Meinungsäußerung ist ein unverzichtbarer Bestandteil einer demokratischen Hochschullandschaft. Daher fordern wir auch das allgemeinpolitische Mandat der Studierendenschaften. Die Regelungen zu Zielvereinbarungen zwischen Hochschulen und Wissenschaftsministerium, die die Hochschulen de facto erpressbar machen, wollen wir lockern. Wir wollen die Rechte der Senate und Fakultätsräte ausbauen, gleichzeitig die Hochschulräte entmachten und letztlich auflösen; an ihre Stelle sollen beratende, mit Vertreterinnen und Vertretern gesellschaftlicher Interessengruppen besetzte Hochschulkuratorien treten. Hochschulgremien sollen soweit wie möglich viertelparitätisch besetzt werden.
Die Möglichkeiten der Hochschulen zur privatwirtschaftlichen Betätigung wollen wir beschränken.
Die Geltung von Tarifverträgen und des Sächsischen Personalvertretungsgesetzes wollen wir auf alle Hochschulbeschäftigten ausweiten, also auch auf wissenschaftliche und studentische Hilfskräfte sowie auf Lehrbeauftragte.
Grenzenlose Wissenschaft macht vieles möglich. Allerdings kann Forschung aus Sicht der LINKEN. Sachsen nicht für jeden Zweck als ethisch wünschenswert betrachtet werden. Daher befürworten wir Selbstverpflichtungen der Hochschulen in Form von Zivilklauseln, mit denen sie auf unmittelbar für militärische Zwecke nutzbare Forschung verzichten. Um diese Kodizes an den Hochschulen durchsetzen zu können, befürworten wir die Bildung von hochschuleigenen Ethikkommissionen, die ein Mitspracherecht bei der Annahme von Drittmitteln haben. Alle Projekte, für die Drittmittel an Hochschulen fließen, sollen umfassend transparent gemacht werden.
3.8.2. Bedarfsgerechte Hochschulfinanzierung
Die sächsischen Hochschulen leiden seit langem ein einer strukturellen Unterfinanzierung. Jahr für Jahr fehlen vor allem den Universitäten größere Millionenbeträge; die Grundmittel, die der Freistaat an die Hochschulen ausschüttet, liegen weit unter dem Bundesdurchschnitt. Um die personelle und technische Ausstattung zu verbessern, die Hochschulbeschäftigten zu entlasten und die Betreuungsverhältnisse zu verbessern, wollen wir die staatlichen Zuschüsse an die Hochschulen mindestens auf das Niveau des Bundesdurchschnitts erhöhen. Die dominante Rolle von Drittmitteln wollen wir auf diese Weise zurückdrängen, da sie der Lehre in der Regel nicht zugute kommen. . Außerdem verursachen sie erhebliche administrative Aufwände, die aus der Grundfinanzierung zu decken sind und in großem Umfang Personal binden. Lehre darf nicht aus Drittmitteln finanziert werden.
Bei der Verteilung von Fördermitteln und staatlichen Unterstützungsleistungen wollen wir darauf achten, dass keine einseitige Schwerpunktsetzung auf die Forschung zum Nachteil der Lehre erfolgt. Bei der Aushandlung von Zielvereinbarungen gilt es zu vermeiden, dass die Lehre unter Überlast festgeschrieben wird oder die Betreuungsverhältnisse in einzelnen Fachbereichen verschlechtert werden. Die Hochschulbibliotheken wollen wir besser ausstatten, damit sie die Herausforderungen digitalisierter Wissensvermittlung meistern und die Hochschulen dabei unterstützen können.
Auf Bundesebene soll sich der Freistaat für ein für dauerhaftes Engagement des Bundes in der Grundfinanzierung der Hochschulen und Studentenwerke und für die Abschaffung des Kooperationsverbots einsetzen. An die Stelle immer neuer „Pakte“ soll ein verlässlicher Finanzierungsbeitrag treten, mit dem neue Studienplätze geschaffen und bestehende attraktiver gestaltet werden können. Bundesmittel, die über den Hochschulpakt, den Pakt für Forschung und Innovation und die Exzellenzinitiative nach Sachsen fließen, wollen wir gänzlich an die Hochschulen durchreichen und ausreichend mit Landesmitteln untersetzen.
Attraktive Arbeitsbedingungen sind die Grundvoraussetzung dafür, qualifiziertes Personal für die sächsischen Hochschulen zu gewinnen. Wir wollen die Hochschulen auf einen Kodex zu guter Arbeit in der Wissenschaft verpflichten und dessen Einhaltung über die dem Freistaat zur Verfügung stehenden Finanzierungs- und Steuerungsinstrumente sicherstellen. Insbesondere die meist prekären Bedingungen bei Hochschulbeschäftigten, die selbst keinen Lehrstuhl innehaben, will DIE LINKE. Sachsen überwinden. Dies gelingt über die Definition von Mindeststandards für die Laufzeit befristeter Arbeitsverhältnisse, flächendeckende verlässliche Aufstiegsperspektiven für Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler (Tenure Track) sowie die Etablierung des unbefristeten Vollzeitarbeitsverhältnisses als Regelfall für Daueraufgaben in Forschung, Lehre und Wissenschaftsmanagement. Lehrbeauftragte wollen wir angemessen entlohnen. Leistungszuschläge in der Besoldung von Professuren wollen wir abschaffen, um Hierarchisierung zu vermeiden. Stattdessen sollen Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer eine angemessen Vergütung erhalten, die auch durch das Bundesverfassungsgericht angemahnt wurde und die auch außerhalb Deutschlands attraktiv ist. Unsere Lehrstühle wollen wir aufgabengerecht für Forschung und Lehre ausstatten. Wir treten für den Verzicht auf den Beamtenstatus bei Neueinstellungen ein.
Die staatlichen Zuschüsse an die Studentenwerke wollen wir auf ein bedarfsdeckendes Niveau erhöhen, um sie insbesondere bei der Schaffung zusätzlicher Wohnheimplätze und beim Ausbau der psychologischen und sozialen Beratung zu unterstützen.
Wir setzen uns für eine umfassende Gebührenfreiheit des Studiums ein. Die Nutzung von Hochschuleinrichtungen soll generell kostenfrei sein. Gebühren versperren insbesondere den Kindern einkommensschwächerer Elternhäuser Bildungswege, die zu beschreiten sie ein Recht haben. Die Finanzierungsprobleme der Hochschulen können nur staatlich gelöst werden. Die mit dem Sächsischen Hochschulfreiheitsgesetz ermöglichten Gebühren für Langzeitstudierende sowie für Studierende aus Nicht-EU-Staaten wollen wir abschaffen.
Forschung, Lehre und Studium will DIE LINKE. Sachsen familienfreundlich organisieren, indem Studierenden und Beschäftigten mit Kindern oder pflegebedürftigen Familienangehörigen ein bedarfsgerechtes und kostenfreies Bildungs- und Betreuungsangebot sowie flexible Arbeitszeitmodelle angeboten werden und die Möglichkeit zum Teilzeitstudium flächendeckend realisiert wird. Eine aktive Gleichstellungspolitik ist für DIE LINKE. Sachsen auch im Hochschulbereich selbstverständlich: Wir wollen die Rechte der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten erweitern und die Frauenförderung zum Gegenstand von Zielvereinbarungen machen. Hinzu kommt die Umsetzung umfassender Barrierefreiheit, um Menschen mit Beeinträchtigungen den Hochschulzugang zu ermöglichen.
3.8.3. Innovative Forschung im Einklang mit attraktiven Lehr- und Studienbedingungen
Die Kleinteiligkeit der sächsischen Wirtschaftsstruktur führt dazu, dass im Freistaat kaum große Unternehmen ansässig sind, die im Dienste der Innovation Forschungsleistungen nachfragen können. Daher muss die öffentliche Hand versuchen, einen Ausgleich im Interesse der wirtschaftlichen Entwicklung und des gesellschaftlichen Fortschritts zu leisten. Dabei muss sie vor allem auf die Hochschulen als Innovationstreiber setzen. Bei der Forschungsförderung sollte ein besonderes Augenmerk auf der Grundlagenforschung liegen, die Voraussetzungen für spätere Innovationen schafft. DIE LINKE. Sachsen lehnt es grundsätzlich ab, Forschungsschwerpunkte von den Hochschulen weg und hin zu außeruniversitären Forschungseinrichtungen zu verlagern. Gleichwohl ist die Verbindung von universitärer und außeruniversitärer Forschung wünschenswert.
Das Auseinanderdriften von Lehre und Forschung beobachtet DIE LINKE. Sachsen mit Sorge. Das Sächsische Hochschulfreiheitsgesetz eröffnet die Möglichkeit, Lehr- und Forschungsprofessuren getrennt zu entwickeln. Das lehnen wir ab. Die universitäre Lehre kann nur aktuell und spannend sein, wenn sie eng mit aktuellen Forschungsbestrebungen verbunden bleibt. Im Sinne einer verbesserten Lehre wollen wir deshalb auch eine verpflichtende erwachsenenpädagogische und hochschuldidaktische Weiterbildung für Dozentinnen und Dozenten einführen. Um den Fachhochschulen die Qualifikation des eigenen wissenschaftlichen Nachwuchses zu ermöglichen, setzen wir uns für das Promotionsrecht für Fachhochschulen ein.
Die soziale Öffnung der Hochschulen im Interesse der freien individuellen Entfaltung aller Menschen bleibt für DIE LINKE. Sachsen eine Kernaufgabe. Eine Ausweitung der Bildungsbeteiligung wollen wir durch eine Erleichterung des Hochschulzugangs ohne Abitur erreichen. Damit wollen wir langfristig dem Anspruch an eine breite Hochschulbildung gerecht werden. Neben den Schulabgängerinnen und Schulabgängern sollen die Hochschulen insbesondere auch Berufstätigen und Eltern im Rahmen beruflicher Weiterbildung offen stehen. Durch die abgestuften Formen der Hochschulreife, den Numerus Clausus und oftmals beliebige Eignungsfeststellungsverfahren gibt es einen selektiven Zugang zu den Hochschulen. In Deutschland haben die Ausbildung sowie der sozioökonomische Status der Eltern noch immer gewaltigen Einfluss auf die Bildungschancen. Zudem sind viele Studienbewerberinnen und Studienbewerber durch ihre eigene soziale oder ökonomische Situation in der Entscheidung für ein Studium eingeschränkt. Wir setzen uns deshalb dafür ein, im Dialog mit den Hochschulen und durch eine tatsächlich bedarfsorientierte Finanzierung neuer Studienplätze die Zugangshürden bei der Wahl eines Studienganges so niedrig wie irgend möglich zu halten – im besten Fall die Zugangsbeschränkung durch einen NC insgesamt abzuschaffen.
Bislang erhalten bei weitem nicht alle Bachelorabsolventinnen und -absolventen die Chance, ein Masterstudium anzuschließen. Das wollen wir ändern, indem wir die Kapazitäten in den Masterstudiengängen mittels einer besseren Grundfinanzierung erhöhen und den Masterabschluss zum Regelabschluss entwickeln. Das Risiko von Studienabbrüchen wollen wir minimieren, indem wir allen Studierenden die Möglichkeit eines maximal zweisemestrigen Orientierungsstudiums einräumen, das nicht auf die Regelstudienzeit angerechnet wird, und außerdem Beratungs- und Betreuungsangebote, etwa in Form von Mentoring-Programmen, ausbauen. Auf Bundesebene soll sich der Freistaat für eine Reform des BAföG als staatlich garantierter, elternunabhängiger und über individuelle Rechtsansprüche geregelter Ausbildungsförderung einsetzen. Die Förderungssätze sollen regelmäßig an den ermittelten Bedarf angepasst und das BAföG wieder zum Vollzuschuss-Modell umgebaut werden. DIE LINKE. Sachsen richtet sich entschieden gegen jede Form von Zwangsexmatrikulation.