18. July 2013 Susanna Karawanskij

Dialog für Sachsen in Nordsachsen - ÖPNV

Die Döllnitzbahn fährt noch. Aber wie lange? Fotos: D. Himmer

Baustelle Busbahnhof Oschatz.

Im Bus 801 in Oschatz.

Erläuterungen zur Baustelle Busbahnhof.

Im Rahmen des Dialogs für Sachsen wurde am 8. Juli im Vorfeld eines Projektworkshops unter Beteiligung des Landesverbands der LINKEN in Sachsen, der Fraktion DIE LINKE im Kreistag Nordsachsen und des nordsächsischen Kreisverbands der LINKEN ein Bürgerinnen- und Fachdialog zum Thema ÖPNV im Oschatzer Raum durchgeführt.

Vielfältig sollte der Aktionstag werden und man wollte sowohl mit den Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch kommen als auch mit entsprechenden Vertreterinnen aus dem Bereich Öffentlicher Personen Nahverkehr.
Dieser Anspruch wurde zweifelsohne auch erfüllt wenn man sich allein den Tagesablauf betrachtet.
Bereits ab 7 Uhr in der Früh fanden sich Mitglieder des Oschatzer Ortsverbands am Bahnhof ein um zu einem Pendlerkaffee die Pendler_innen zu begrüßen.

Ausgestattet mit Klemmbrettern wurden zu dieser Zeit auch Befragungen hinsichtlich des Nutzungsverhaltens zum ÖPNV und SPNV durchgeführt. An der zweiten Station trafen sich die Aktiven mit der Landkreisverwaltung an der Baustelle des Busbahnhofs in Oschatz. Herr Kupfer (Amtsleiter Schul- und Liegenschaftsamt des Landratsamts Nordsachsen) und der mit der Bauleitung beauftragte Herrn stellten anhand der Baupläne dar, wie der zukünftige Busbahnhof gestaltet sein und dabei auch den gestiegenen Anforderungen entsprechen wird. Noch ungelöst ist die Frage, wo sich zukünftig die Busbahnuhr befinden wird.
Nach einer kleiner Pause, die gleich zum Flyerstecken genutzt wurde, „testeten“ David, Peter, Uwe und Susanna selbst den ÖPNV – denn mit dem Linienbus 801 ging es nach Wermsdorf. Während der 20 minütigen Fahrt kam man untereinander ins Gespräch. Schon auf den ersten Blick beim Einsteigen war klar wer die Busverbindung nutzt; vorwiegend Schülerinnen und Schüler. Eine junge Frau, welche als Studierende im Wermsdorfer Schloss arbeitete, erklärte uns, dass an sich die Verbindung gut sei und auch die Taktung angemessen ist, jedoch in der Ferienzeit die Sache schwierig ist, auch für sie, mit entsprechend festgelegten Arbeitszeiten, da dann die Linie nicht mehr so oft verkehrt und die Taktung herunter gefahren wird. Der ÖPNV konzentriert sich im ländlichen Raum eben besonders auf den Schüler_innenverkehr.
So ein Aktionstag kann durchaus auch als Kulturtag mitgenutzt werden. Aufgrund von terminlichen Verschiebungen entschlossen wir uns kurzerhand die Ausstellung der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden im Schloss Hubertusburg „Die königliche Jagdresidenz Hubertusburg und der Frieden von 1763“ zu besichtigen. Eine wirklich gelungen Ausstellung, die ich an dieser Stelle ausdrücklich empfehlen möchte.
Nach einer gemütlichen Mittagspause wollten wir es doch noch genau wissen und meldeten uns bei der Touristinformation Wermsdorf. Auf unsere Nachfrage hin wie auch unter touristischen Aspekten Sonderlinien beispielsweise anlässlich der o.g. Ausstellung eingesetzt werden wurde uns wie folgt geantwortet: Es gibt keine generellen Absprachen mit den regionalen Busunternehmen und der Ausstellung. Wenn jedoch Großereignisse anliegen, wie zum Beispiel zur Ausstellungseröffnung wird angefragt, ob Sonderbusse zum Einsatz kommen können. Dies ist jedoch auch immer eine wirtschaftliche Sache die sich für das Busunternehmen tragen muss. Zum Horstseefischen im Oktober kommen Sonderbusse mit zusätzlichen Fahrten von Oschatz nach Wermsdorf zum Einsatz.“ Genau hier liegt der weitere Problemkomplex des ÖPNVs in ländlichen Räumen - die Unternehmen arbeiten unter sehr engen wirtschaftlichen Prämissen, trotz dessen, dass sie Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge erbringen und im Sinne der Schaffung von gleichwertigen Lebensbedingungen, einen wichtigen Teil auch der Attraktivität ländlicher Räume ausmachen. Eine Logik, die nicht vereinbar miteinander scheint und aus dieser die Wirtschaftlichkeit herausgelöst werden sollte, denn so richtig es ist, dass die Unternehmen wirtschaftlich arbeiten, so wichtig ist es auch diese entsprechend ausgestattet sind und unter den wirtschaftlichen Prämissen ein sehr gutes Angebot vorhalten können.
Die nächste Buslinie wurde getestet: Linie 801 führte uns von Wermsdorf nach Mügeln. Die Fahrt, dauert 45 Minuten und führt über beschauliche Ortschaften, wie Mahlis, Gruschwitz, Ablaß, Pommlitz, Kemmlitz oder Neusornzig. Wieder sind im nur Schülerinnen und Schüler auf dem Weg nach Hause. Im Gespräch mit den Genossen aus dem Ortsverband stellt sich schnell heraus: Auto und Individualverkehr erscheinen vielen bequemer, keiner kann sich erinnern wann er das letzte Mal Bus gefahren ist. Die Strecke ist hügelig und die Straße eng, wir stellen fest, Busfahrer müssen sehr konzentriert sein und über ein großes Maß an Präzision verfügen.
In Mügeln angekommen, führt uns der Weg zur Döllnitznbahn, unserer nächsten Fahrt, durch die Stadt. Die Belastung durch den Straßenverkehr, welcher aufgrund der noch nicht fertig gestellten Ortsumgehung, durch das Zentrum führt, ist enorm. An den Fenstern und Häusern der Franz-Mehring-Str., weiterführend der Ernst-Thälmann-Str. und später Dr.-Friedrichs-Str. sammelt sich Staub und Schmutz, die Häuser haben kaum noch Ladenlokale und sind teilweise nur wenig saniert. Die Ortsumgehungsstraße wird da sicherlich in naher Zukunft die gewünschte Entlastung bringen und auch der Stadt zu einer neuen „Blütephase“ verhelfen. Weiterhin zu viert unterwegs nutzen wir die Döllnitzbahn für den Rückweg nach Oschatz. Die Bahn, welche als Schmalspurbahn seit 1885 den Raum Döbeln-Mügeln-Oschatz-Wermsdorf bedient, stand zuletzt 2011 in den Schlagzeilen, als aufgrund der gekürzten Mittelzuweisungen des Freistaates Sachsen der ZVNL (Zweckverband für den Nahvermehrsraum Leipzig) kurzerhand beschloss den Bahnverkehr einzustellen, damit auch die weitere Existenz der Döllnitzbahn gefährdet war. Mittlerweile ist die Finanzierung der Bahn bis 2014 gesichert und auch weiterführend sind die Mittel zum Erhalt der Döllnitzbahn in der ÖPNVFin VO (ÖPNV-Finanzierungsverordnung des Freistaates Sachsen) bis zum Jahr 2020 eingestellt. Die Bedeutung der Döllnitzbahn erschließt sich nicht nur im regelmäßigen Schülerverkehr, sondern auch in der historischen Bedeutung und touristischen Attraktion, wenn die Döllnitzbahn als Dampfbahn unterwegs ist und zahlreiche Bahnfans auch aus dem Ausland anlockt. Der Schaffner an diesem Tag erzählt mit leuchtenden Augen, wie voll dann die Wagons sind und wie das spezielle Fahrgefühl „unter Dampf“ ist. In Oschatz Südbahnhof angekommen, werden wir vom OVH bzw. seinem Geschäftsführer Herrn Lehmann in Empfang genommen und dürfen während einer kleinen Fahrt den neusten Bus des Unternehmens begutachten, welcher unter anderem auch über die neue Knie-Neigungstechnik verfügt und damit das Einsteigen erleichtert. Mit nunmehr zusätzlichen Vertretern aus der Kreistagsfraktion, darunter auch dem Fraktionsvorsitzenden Dr. Michael Friedrich, diskutieren wir angeregt nicht nur zukünftige Finanzierungsmodelle für den ÖPNV, sondern darüber hinaus auch die Anforderungen an Busunternehmen und die Ausstattung der Busse. Nicht unbemerkt blieb in dem neuen Bus die verschiedenen Höhen für die Haltewunschtasten, damit auch gut für Schülerverkehr einsetzbar, auch die leicht zu bedienende Rampe für Rollstuhlfahrende. Für das Busunternehmen stellt die (finanzielle) Planbarkeit die grundlegende Voraussetzung für den reibungslosen Ablauf dar. An dieser Stelle ist vor allem die Politik gefragt, denn Fördermittel und auch die Ausstellung der entsprechenden Bescheide sind entscheidend um auch langfristige finanzielle Investitionen zu planen. Herr Lehmann von der OVH stellt klar, dass sein Unternehmen noch weitere 10 neue Busse benötigt.
Mittlerweile ist die Lokalpresse eingetroffen und nach einem Kurzinterview zu dem Aktionstag ist die letzte Station für den Tag im E-Werk in Oschatz. Dort sprechen wir mit dem Elternvertreter des Thomas-Mann-Gymnasiums, der uns eine eigens angefertigte Umfrage zum Nutzungsverhalten des Schülerverkehrs der Gymnasiasten präsentiert. Unerwartet ist dabei die Erkenntnis, dass lediglich 52% der Schülerinnen und Schüler den Schulbus nutzen und alle anderen individuell in die Schule kommen. Weitere Gespräche machen deutlich, dass die Fahrzeiten sehr lang sind, die verschiedenen Schultypen bedient werden, dadurch sich weiter die Fahrt- und Wartezeiten verlängern und letztlich viele Schüler an Verkehrsangebot nicht nutzen.
Die Probleme des ÖPNVs im ländlichen Raum sind vielfältig und einfache schnelle Lösungen sind vor dem Hintergrund der Komplexität nicht sichtbar. Dennoch lohnt es, über die Zukunft des ÖPNV zu diskutieren und vielleicht auch noch nicht so populäre Modelle, wie den fahrscheinlosen ÖPNV oder auch Anrufbusmodelle zu diskutieren. Das mag vielleicht noch Zukunftsmusik sein, dennoch, wenn wir ländliche Räume nicht abhängen wollen, brauchen wir weiterhin einen flächendeckenden, mit guten Taktzeiten ausgestatteten und finanziell auf solider Basis fußenden Öffentlichen Personennahverkehr. Wir LINKE bleiben an dem Problem dran. Versprochen!

Kategorien: Dialog durch Nordsachsen startet, Pressemitteilung

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