17. February 2017

Neue KdU-Richtwerte im Vogtlandkreis (Teil 2)

Spätwinterliche Abendstimmung auf einem kinderlosen Spielplatz eines ehemaligen DDR-Neubauwohngebietes. (visuell barrierefrei)

Für 2017 und 2018 hat der Sozialausschuss des Kreistages im November 2016 gegen die Stimmen der LINKEN neue Richtwerte für "angemessene Kosten der Unterkunft" für Betroffene von Hartz IV und Sozialhilfe beschlossen. Wir hatten angekündigt, über die interessante Diskussion der Ausschusssitzung zu berichten.


  1. Auf Nachfragen von Janina Pfau und eines sachkundigen Einwohners (des ehemaligen Geschäftsführers der Plauener und der Auerbacher Wohnungsgesellschaft), wie denn kontrolliert worden sei, dass zu den neuen "angemessenen Mieten" auch ausreichend Wohnungen für Hartz IV- und Sozialhilfeempfänger zur Verfügung stünden, antwortete der Sozialdezernent Dr. Drechsel, der vom Landrat mit der Leitung der Sitzung beauftragt worden war, dass lediglich eine Indexanpassung vorgeschrieben sei, keine zusätzliche Kontrolle eines ausreichenden Wohnungsangebotes zu den ermittelten Preisen. Wenn das zuträfe, wäre zu fragen, warum das Landratsamt diese Indexanpassung nicht mit eigener Verwaltung vorgenommen hat: Die Landesindizes für die Preiserhöhung von Wohnraum veröffentlicht das statistische Landesamt jährlich im Internet, der Index für die Preiserhöhung zwischen 2014 und 2016 muss dann lediglich mit den Richtwerten, die für 2015 und 216 galten (für alle Haushaltgrößen und alle Teilwohnungsmärkte), multipliziert werden. Das Landratsamt hätte also, wenn die Auskunft von Dr. Drechsel zuträfe, nur die Anpassung mittels Wohnpreisindex wäre notwendig gewesen, die 5.800 €, die Firma Analyse und Konzepte für die Fortschreibung der KdU-Werte erhalten hat, sparen können.



  1. Allerdings schreibt geltendes Recht auch für Indexanpassungen eine Verfügbarkeitskontrolle vor. Auf die entsprechende schriftliche Frage von Janina, die der Sozialdezernent in der Sitzung also falsch beantwortet hatte, antwortete die Firma später, dass sie eine solche Ermittlung von Nachfragern nach preiswertem Wohnraum nicht vorgenommen habe. Zusätzlich zur Indexanpassung hat die Firma aber Preise für aktuelle Angebotsmieten erfasst (aus Internetportalen, Anzeigenblättern und Tageszeitungen) und diese mit den Angebotsmieten aus der Ermittlung von 2014 verglichen. Das ergab natürlich deutlich höhere Preissteigerungen als die Indexanpassung, aber die Werte aus dem Angebotsmietenvergleich gingen nicht in die neuen Richtwerte ein. Im Methodenbericht nennt die Firma allerdings im Zusammenhang mit der Auswertung der Angebotsmieten Prozentzahlen für den "Anteil des verfügbaren Angebots" - von 78% bis 5 %. Nach Auskunft der Firma auf die entsprechende Anfrage von Janina handelt es sich dabei um die Anteile der neu ermittelten Angebotsmieten, die unter den neu ermittelten Richtwerten liegen, "um zu schauen, wie hoch der Anteil des tatsächlich anmietbaren Wohnungsangebotes ist". Das ist aber noch keine Aussage darüber, ob für Empfänger von Hartz IV und Sozialhilfe dieses Wohnungsangebot ausreicht, dazu müsste das "anmietbare Wohnungsangebot" mit der NACHFRAGE verglichen werden, also mit der Gesamtgruppe, die preiswerte Wohnungen begehrt.

Für Betroffene in einem ländlich geprägtem Gebiet ist eine Indexanpassung im Allgemeinen zwar nicht nachteilig, gehen doch in den Index auch die horrenden Mietsteigerungen von Großstädten wie z.B. Dresden ein. Es ist auch nicht anzunehmen, dass in Landkreisen das Wohnungsangebot die Nachfrage nach billigen Wohnungen nicht mehr deckt, es sei denn, die Nachfrage ist plötzlich gestiegen (z.B. durch Asylsuchende oder durch eine höhere Anzahl von Studenten). Ein örtlich begrenzter Mangel an "angemessenem" Wohnraum wäre aber auch im Vogtlandkreis durchaus denkbar, z.B. im Teilwohnungsmarkt Plauen. Immerhin sind auch im Vogtlandkreis viele vor allem jüngere Leute bestrebt, in eine größere Stadt zu ziehen. Und der sachkundige Einwohner aus Plauen kritisierte in der Sitzung des Sozialausschusses sicher nicht grundlos, dass die Wohnungsunternehmen des Kreises bei der Fortschreibung der KdU-Richtwerte nicht einbezogen worden waren. Wer also in seinem Teilwohnungsmarkt keine "angemessene" Wohnung findet, hat durchaus Aussicht auf Erfolg bei einer Klage.



  1. Der Sozialdezernent hatte auf Janinas fünf Fragen nicht antworten können. Das muss er auch nicht, er hat für seine verschiedenen Sachgebiete spezialisierte Mitarbeiter. Aber es war kein auf KdU spezialisierter Mitarbeiter anwesend. Auch das ist noch nicht unbedingt schlimm:

Der Sozialdezernent hatte ja zugesagt, die fünf Fragen von der Firma Analyse und Konzepte beantworten zu lassen. Das Problem besteht aber darin, dass Janinas Antrag, die Beschlussfassung zu den KdU auf die folgende Sitzung zu verlegen, abgelehnt worden war und diese Ablehnung auch nicht rückgängig gemacht wurde. Die Ausschussmitglieder hätten auf der folgenden Sitzung die Antworten der Firma in ihre Beschlussentscheidung einbeziehen können.

Auch wenn der Beschluss, die Beschlussfassung zu den KdU nicht zu vertagen, bereits bei der Diskussion zur Tagesordnung gefasst worden war, hätte der Sozialdezernent als Leiter der Sitzung angesichts der Situation, dass Fragen nicht geklärt werden konnten, die Vertagung der Beschlussfassung durchaus veranlassen können. Der Verantwortungsträger der Sitzung muss für seine Kreisräte die Voraussetzung dafür schaffen, dass sie mit Sachkenntnis entscheiden können.

 

 

Dr. Dorothea Wolff

Kommentare

Keine Kommentare zu diesem Beitrag

Hinterlassen Sie einen Kommentar