19. November 2016

Neue KdU-Richtwerte im Vogtlandkreis beschlossen (Teil 1)

Ein typisches Wohngebiet im Vogtlandkreis, achziger Jahre Baustil, fünfstöckiger Plattenbau (visuell barrierefrei)

Die "AG Kosten der Unterkunft" berichtet

Für einige sächsische Kreise und kreisfreie Städte endet die Gültigkeit der aktuellen KdU-Richtwerte Ende Dezember 2016 bzw. Ende Januar 2017: für Leipzig, Dresden, Landkreis Nordsachsen, Vogtlandkreis und Landkreis Görlitz.

Im Vogtlandkreis sind die neuen Werte am 17.11. im Sozialausschuss des Vogtlandkreistages beschlossen worden. Grundlage waren dieses Mal keine neuen Ermittlungen von Mietpreisen für Wohnungen des unteren Standards, sondern eine Fortschreibung bisheriger KdU-Angemessenheitswerte mittels des sächsischen Mitpreisindexes, also eines Multiplikationsfaktors für Mietenentwicklungen in Sachsen in den letzten zwei Jahren. Die Mietpreisindizes werden jährlich vom Statistischen Landesamt veröffentlicht, jeder kann sie im Internet einsehen.

Die Mitglieder des Ausschusses für Gesundheit und Soziales, die laut Hauptsatzung des Vogtlandkreistages die Richtwerte zu beschließen haben, hatten einen sechzehnseitigen Bericht der Firma "Analyse und Konzepte" zur Fortschreibung der 2014 beschlossenen Richtwerte erhalten. Im Bericht wird die unkomplizierte Methode der Indexfortschreibung gründlich beschrieben, die neuen Werte werden mittels des Mietpreisindexes verständlich berechnet.

Rechtsvorschriften fordern aber, dass zusätzlich kontrolliert wird, ob für die neuen "angemessenen" Bruttokaltmietpreise tatsächlich auch Wohnungen für alle Haushaltgrößen in ausreichender Anzahl zur Verfügung stehen. Dabei ist zu beachten, dass nicht nur Hartz IV- und Sozialhilfeempfänger billige Wohnungen nachfragen, sondern z.B. auch prekär Beschäftigte, Rentner, Studenten und Asylsuchende. Diese müssen bei der Kontrolle der Verfügbarkeit berücksichtigt werden. Im Ermittlungsbericht der Firma "Analyse und Konzepte" gibt es dazu auch Zahlen, aber diese Zahlen werden nicht erläutert: So werden in einer Tabelle unter der Rubrik "Anteil" bei der Ermittlung mittels des "Verbraucherpreisindex" (gemeint ist hier übrigens der "Mietpreisindex") zwar für die verschiedenen Teilwohnungsmärkte und Haushaltgrößen Prozentzahlen zwischen 77% und 5 % genannt und zusätzlich werden "Anteile" für eine Fortschreibung nach einer Angebotsmietenermittlung angegeben, die zwischen 90% und 9 % liegen, aber wie all diese Prozentzahlen errechnet wurden, erfährt der Leser nicht. Lediglich aus dem Vergleich zwischen erhöhten Werten durch Mietpreisindex und erhöhten Werten durch Angebotsmietenentwicklung - letztere liegen natürlich über ersteren - den Schluss abzuleiten, dass zu den durch Mietpreisindex erhöhten neuen "angemessenen" Mietpreisen für alle Nachfragegruppen ausreichend "angemessene" Wohnungen bereitstehen, ist nicht nachvollziehbar.

Deshalb hat die Arbeitsgruppe Kosten der Unterkunft der LAG Hartz IV unseren beiden Fraktionsmitgliedern, die Mitglied im Sozialausschuss sind, vorgeschlagen, zur Ausschusssitzung unter anderem folgende Fragen zur stellen:

  1. Wie wurde für die vorliegende Fortschreibung der KdU-Angemessenheitswerte die Gesamtheit der Nachfrager preiswerter Wohnungen ermittelt? Wie hoch ist ihr prozentualer Anteil an der Anzahl aller Bürger, die Wohnungen suchen?

  2. Wie wurden die in Tabelle 12 (S. 15) ausgewiesenen "Anteile" errechnet? Auf welche Gesamtheit beziehen sie sich?

  3. Wurden in die Ermittlung der Nachfrager nach preiswerten Wohnungen Flüchtlinge einbezogen? Wenn ja: welche Quellen wurden dafür genutzt? Wie hoch ist ihr Anteil in der Gruppe der Nachfrager preiswerter Wohnungen?

  4. Wie wurde beim Vergleich von Angebot und Nachfrager preiswerter Wohnungen berücksichtigt, dass Ghettobildungen und damit die Bildung sozialer Brennpunkte vermieden werden sollen?

In der Ausschusssitzung stellte MdL und Mitglied des Sozialausschusses Janina Pfau diese und weitere Fragen, erhielt aber entweder keine Antworten oder "Antworten aus dem Bauch" des zuständigen Sozialdezernenten. Allerdings sicherte er zu, eine exakte Beantwortung der Fragen nachzureichen. Janinas Antrag, die Beschlussfassung auf die nächste Ausschusssitzung zu verlegen, damit sich die Kreisräte mit den Antworten befassen könnten, wurde mit 4 Fürstimmen, 5 Gegenstimmen und einer Stimmenthaltung knapp abgelehnt. Die von der Verwaltung vorgeschlagenen neuen KdU-Angemessenheitswerte wurden mit 6 Fürstimmen, 2 Gegenstimmen und einer Stimmenthaltung angenommen. Selbstverständlich haben unsere beiden Kreisräte beide Male gegen die Beschlussempfehlung der Verwaltung gestimmt.

Nun ist es wichtig, dass DIE LINKE Betroffene und Sozialberater über Rechtsfehler bei der Fortschreibung der KdU-Angemessenheitswerte informiert und Benachteiligte zu Klagen ermuntert.

Über die interessante und aufschlussreiche Diskussion im Sozialausschuss des Vogtlandkreistages werden wir in Teil 2 berichten.

Wer sich für unsere ausführlichere Stellungnahme zum ausgereichten Bericht von "Analyse und Konzepte" interessiert, wende sich bitte an mich:  dorthea.wolff[at]arcor.de oder Telefon 03744 - 80116.

Dorothea Wolff

 

Antworten auf die beiden Kommentare

 

 

Kommentare

Franz 21.12.2016, 10:50 Uhr
Gravatar: Franz

Grundsätzlich sollten die vorhandenen Kosten der Unterkunft (KdU) eines Arbeitslosengeld II (ALG II) Beziehers übernommen werden und es hier keine Obergrenze geben. Diese wohnen in der Regel in angemessenen Wohnungen und eine Angemessenheitsprüfung der KdU ist rassistisch. Die wenigen Ausnahmefälle machen aus dem Kapitalismus noch keinen Sozialismus.

Im Normallfall gehen ALG II Bezieher wieder einer Beschäftigung nach. Die Zeit zwischen ALG II und neuer Beschäftigung mit Umzug wegen einer unangemessener Wohnung auszufüllen ist nicht hinnehmbar.


Sven Ubrig 24.12.2016, 16:56 Uhr
Gravatar: Sven Ubrig

In Nordsachsen Wohnungstyp II liegt die angemessene KDU bei 4,54€ Grundmiete. Ausreichend Wohnraumangebote in dieser Preislage ist seit Jahren Fehlanzeige. Eine Anfrage an Herrn Sirrenberg, wo denn die angemessenen Wohnungen zu finden seien..., wurde man mit Wohnraum um die 30m2 vertröstet. Die zwar weit über 5,50€ Grundmiete liegen, jedoch der Produktfindung als ausreichend empfunden wird. Also werden Bedürftige in kleine, teure Wohnungen gesteckt oder man zahlt drauf. So umgeht man geschickt, mit einen Gefälligkeitsgutachten von A&K, das Problem. Ich nenne es Betrug. Verwundert bin ich, dass es jedoch Alg2 Empfänger gibt, denen ohne ersichtlichen Mehrbedarf ca. 30€ monatlich mehr Grundmiete zugesprochen wird und auf meiner Anfrage hin, es angeblich keinen 10% *Bonus* gibt. Seltsam.....

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