Im Gesetzesentwurf zur 9. Änderung des Sozialgesetzbuches (SGB) II sind nicht die allerseits erwarteten „Erleichterungen“ enthalten. Eine Vereinfachung des Sozialgesetzes mit weniger Widersprüchen und Klagen, mit weniger Frust und Ärger– und das auf beiden Seiten: für ALG II-Abhängige und für Jobcentermitarbeiter*innen - war wohl nie das Ziel.
„Kleinvieh macht auch Mist!“, so dachte sich das die Regionalgruppe Vogtland der LAG Hartz IV. Sie hat Forderungen gestellt, die sie u.a. in Form einer Unterschriftenkampagne initiiert und durchgeführt hat, so auch zum 1. Mai.
Viele Sozialverbände haben ebenfalls gezielt protestiert. „Guter Dung“, breitgestreut und effektiv eingesetzt, garantiert eine gute Ernte! Nach neusten Informationen aus „Whistleblower-Kreisen“ soll die 2. und 3. Lesung zur „Rechtsvereinfachung“ im Bundestag verschoben werden.
Positiv wäre es, wenn unsere Forderungen dazu beitragen, dass einige Aspekte, die die Sozialgesetzgebung entschärfen und zu etwas mehr Gerechtigkeit und Menschlichkeit beitragen könnten, überdacht und in das „neue“ SGB II einfließen würden. Selbstverständlich werden wir nicht nachlassen zu kämpfen und rufen alle auf, sich aktiv mit daran zu beteiligen.
Forderungen im Bereich Unterkunft und Heizung können hier in unseren
News vom 18. April 2016 nachgelesen und genutzt werden. Und weitere sehr dringende Forderungen, die wir ebenfalls stellten und stellen, im Folgenden:
Wir fordern eine eindeutige Rechtsgrundlage für die Finanzierung der Ausübung des Umgangsrechts getrennt lebender Eltern.
Der Referentenentwurf sah aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung vor, die bisherige Regelung der temporären Bedarfsgemeinschaft abzuschaffen. Soweit dem Kind der volle Regelsatz in dem Haushalt des Elternteils verbleibt, bei dem der Lebensmittelpunkt des Kindes liegt, ist dies zu begrüßen. Wir vermissen allerdings eine Regelung, die dem umgangsberechtigten Elternteil den ungedeckten Bedarf zur Ausübung seiner Umgangspflicht gewährt.
Für den umgangsberechtigeten Elternteil soll ein Umgangsberechtigten-Mehrbedarf eingeführt werden.
(§ 7 Abs. 3)
Wir fordern die Existenzsicherung aller Auszubildenden und Student*innen unabhängig vom Aufenthaltsstatus und unabhängig von Förderberechtigungen wie BAföG und BAB.
Häufig haben Auszubildende und Student*innen nur eingeschränkt Einfluss auf ihren Ausbildungs- bzw. Studienort und somit den Aufenthaltsort während dieser Lebensphase. BAföG bzw. BAB reicht zur Sicherung des Existenzminimums gerade außerhalb des Elternhauses i.d.R. nicht aus. So muss nebenbei „gejobbt“ werden, was für einen zügigen Berufsabschluss nicht selten ungünstig ist.
BAföG bzw. BAB beziehende Auszubildende und Studierende, die nicht bei ihren Eltern wohnen, sollen mit ihren Mitstudierenden, die bei ihren Eltern wohnen, gleichgestellt werden, indem auch sie Anspruch auf aufstockende SGB II-Leistungen haben.
Ebenfalls sollen von ergänzenden Leistungen des ALG II Auszubildende ohne Förderberechtigung (BAföG, BAB) nicht weiterhin ausgeschlossen bleiben.
(§ 7 Abs. 5 und Abs. 6)
Studierenden in „einfachen“ Härtefallsituationen soll es ausnahmslos möglich sein, Leistungen als Darlehen zu erhalten.
Um Studierende in „besonderen“ Härtefallsituationen vor Verschuldung und Studienabbruch zu schützen, sollen Leistungen in diesen Fällen als Zuschuss gewährt werden.
(§ 27 Abs. 4)
Das Festhalten am verschärften Sanktionsrecht für junge Menschen widerspricht dem Ziel, Jugendliche mit besonderen Problemen durch einen neuen § 16h SGB II zukünftig besser zu erreichen.
Für unter 25-Jährige fordern wir die Begrenzung der Sanktionshöhe auf nicht mehr als 30 Prozent des maßgeblichen Regelbedarfs, gleich allen anderen Leistungsbeziehern.
Die Sondersanktionsregelung für junge Menschen unter 25 Jahren soll ersatzlos abgeschafft werden.
Das Sozialgericht Gotha hat in seinem Vorlagebeschluss vom 26.05.2015 festgestellt, dass die Unterschreitung des soziokulturellen Existenzminimums durch Sanktionen nie gerechtfertigt ist – auch nicht bei vorsätzlicher Handlung.
(§ 31a Abs. 2)
Die Ausweitung von Ersatzansprüchen des Jobcenters gegenüber den Leistungsberechtigten bei „sozialwidrigem Verhalten“ auf Fallkonstellationen, in denen die Hilfebedürftigkeit erhöht, aufrecht erhalten oder nicht verringert wird, soll abgelehnt werden. Unbestimmte Begriffe erhöhen die Unsicherheit und die Anzahl der Widersprüche und Klagen. (§ 34)
Wir fordern, dass Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung entfalten. Die bewilligten Leistungen sind bis zum Ende des gerichtlichen Verfahrens weiterzuzahlen.
Die Rechtsposition der Betroffenen gegenüber den Jobcentern wird ganz empfindlich geschwächt, wenn mit sofortiger Wirkung die Sicherung des Exisenzminimums gestrichen werden kann. (§ 39)
Kathrin Kosche
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